BIM in der TGA: AIA und BAP in der Praxis

Garbage in, Garbage out – AIA verstehen und bewerten

Damit BIM-Projekte funktionieren, muss dem Planungskonsortium nicht nur mitgeteilt werden was gebaut werden soll, sondern auch wie die Daten und Informationen optimal für die jeweiligen Bedürfnisse verwendet werden.

Das Instrument für diese Anforderungsdefinitionen bildet die Austausch-Informationsanforderung (AIA). Die AIA fungiert als Definition der Austauschanforderungen des Auftraggebers an den Auftragnehmer für den Zeitraum des Projekts.

AIA und BAP – Lasten- und Pflichtenheft

Die folgende Abbildung zeigt, dass der AIA in der Bedarfsplanung (Leistungsphase 0) und vor der Bauausführung (je nach Vergabemodell) mit den Ausschreibungsunterlagen initial bereitgestellt und verwendet wird. Auf Grundlage des AIAs werden die Kompetenzen der Bewerber zur Erfüllung der Anforderungen evaluiert und letztendlich, bei Beauftragung ein darauf basierender BIM-Abwicklungsplan (BAP) erstellt. Die beiden Dokumente AIA und BAP bilden somit einen komplementären Zusammenhang. Während der AIA die Lastenheftanforderungen darstellt, stellt der BAP das Pflichtenheft zur digitalen Umsetzung des Projekts dar.

Zyklus der Informationen gemäß des Stufenplans Digitales Planen und Bauen [i. A. a. LINK].

Fehlende Vorgaben zu AIA und BAP

Wie diese Ausschreibung und Vergabe gestaltet ist, ist noch nicht voll umfänglich definiert und darauf soll auch im Detail hier nicht eingegangen werden, aber es haben sich in der Praxis bereits folgende unterschiedliche Szenarien ergeben, welche alle ihre Vor- und Nachteile haben:

Verschiedene Szenarien zur in der Praxis vom AG bereitgestellte und zu liefernde Dokumente in der Leistungsphase 0 [Eigene Darstellung].

Diese Abbildung spiegelt die Praxis wider und zeigt, dass derzeit (Stand 7/2022) noch Unstimmigkeiten in der Ausschreibung, Informationsbereitstellung und somit dem Ablauf von BIM-Projekten besteht. Es werden vier verschiedene Szenarien der Vergabe dargestellt (die Aufführung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Erster Praxis-Fall: AIA wurde nicht erstellt

Die erste Vergabe wird ohne das Erstellen eines AIAs bewertet. Aussagen, wie „Sie müssen am besten Wissen wie Sie das Projekt digital umsetzen und somit die Vorteile der BIM-Methode abrufen“ zeigen, dass der Auftraggeber sich noch nicht mit der BIM-Methode beschäftigt, bzw. die Vorteile erkannt hat. Zudem hat der Bauherrnseitige BIM-Manager (falls vorhanden) noch keine Erfahrung gesammelt und wahrscheinlich nur einen 3-Tage-BIM-Professional-Kurs absolviert hat um sich als BIM-Manager zu „zertifizieren“ und allwissend aufzutreten. In dieses Szenario fallen auch AIAs die über vier Zeilen gehen und lediglich aus Buzz-Words wie „Big-Open-BIM“, „Multi-Modell-Container“, „Gemeinsames Zentralmodell“, … bestehen und nicht näher auf die Inhalte eingehen. Der Autor hat das alles schon erlebt…

Zweiter Praxis-Fall: AIA liegt vor, BAP nicht

Die anderen Szenarien haben alle einen ausführlichen AIA als Grundlage und verlangen letztendlich einen BAP nach Vergabe. Vor der Vergabe müssen die Kompetenzen nachgewiesen werden. Dies geschieht meist bisher durch einsenden von bereits erstellten und anonymisierten IFC-Fachmodellen. Diese werden dann auf Herz und Nieren geprüft, bspw. Klassifizierung, Attribuierung, Widerspruchsfreiheit, Kollisionen, … (hier zeigt sich ebenfalls wieviel Erfahrung der Bauherrnseitige BIM-Manager hat).

Dritter Praxis-Fall: Ein Pre-BAP ist vor Vergabe zu erstellen

Die letzten beiden Szenarien verlangen sogar vor der Vergabe noch einen Pre-BAP, welcher eine Vorstufe des eigentlichen BAPs darstellt und die im AIA aufgezeigten Ziele ansatzweise in der Umsetzung kurz beschreiben sollen. Auftragnehmer mit gewissen Erfahrungen können meist recht zügig auf Basis von bereits erstellten BAPs die Inhalte liefern.

Vierter Praxis-Fall: Der / die Bauherr:in weist sich als BIM-Profi aus

Das letzte Szenario weist im Gegensatz zu den vorherigen Szenarien sogar eine Vorlage für den BAP auf. Diese Vorlagen werden von erfahrenen BIM-Managern bereitgestellt, um die Vergleichbarkeit der zahlreichen Bewerbungen gewährleisten zu können. Die potenziellen Auftragnehmer arbeiten derart in eine vorgegebene Struktur, so dass der BIM-Manager kapitelweise die Kompetenzen jedes einzelnen Bewerbers bewerten und gegenüberstellen kann. Basierend darauf wird eine Bewertungsmatrix zur Entscheidungsgrundlage der BIM-Kenntnisse erstellt und letztendlich für die Vergabe genutzt.

Wie ist denn nun ein guter AIA aufgebaut?

Bisher wurde erläutert warum ein AIA für den Bauherrn so wichtig ist und wie dieser für die Vergabe genutzt wird. Der Aufbau dieses elementaren Dokuments ist in Deutschland bereits grundlegend geregelt. Die VDI 2552-10 geht auf die Struktur und Inhalte der AIA und des BAPs ein.

Die Gliederung und somit die Kapitel des Dokuments werden in folgender Tabelle dargestellt:

Gliederung AIA (i. A. a. VDI 2552-10) und inhaltliche Clusterung.

Neben der Gliederung können verschiedene Kapitel inhaltlich geclustert werden, welche auf der rechten Seite der Tabelle zu finden ist.

Besonders wichtig: BIM-Ziele und -Anwendungsfälle

Die zweite Clusterung, mit den BIM-Zielen und -Anwendungsfällen stellt für die Auftragnehmer einen äußerst wichtigen Bezug dar. In diesem Bereich werden die allgemeinen und insbesondere die individuellen Ziele des Bauherrn dargelegt und (falls bereits ausgearbeitet) grundlegende Anwendungsfälle. Basierend darauf müssen die potenziellen Auftragnehmer die Datenlieferung ggü. dem Bauherrn im BAP darlegen. Die BIM-Ziele werden meist zu BIM-Anwendungsfällen mit sogenannten Information Delivery Manuals (zu Deutsch: Informationslieferungshandbücher) (IDM), gemäß DIN EN ISO 29481, bzw. der VDI 2552-4 ausgearbeitet. Da diese Inhalte spezielle Anforderungen bei der Verwendung der BIM-Methode beschreiben, stellen diese die Kernfragen in der Vergabe der Leistungen dar.

Vorsicht: unrealistische Anforderungen erkennen

Als Auftragnehmer gilt es zudem besonderes Augenmerk auf das letzte Kapitel zu legen. Je nachdem wie umfangreich die Anforderungen und die Erfahrungen des Bauherrn mit der Anwendung der BIM-Methode und die damit verbundene Lieferung des AIMs gegeben ist, werden in diesem Kapitel objektspezifische Attribuierungsvorgaben in Form von Datenaustauschanforderungen vorgegeben, evtl. sogar bereits mit Modellbezug, mit entsprechender Namenskonvention und Typisierung. Diese Anforderungen werden entweder von bereits genutzten AIMs abgeleitet oder der Betreiber des Bauherrn hat Anforderungen definiert. Diese gilt es Punkt für Punkt zu untersuchen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen von einem selbst geliefert werden können und zugleich realistisch sind. Ist dies nicht der Fall, muss dies entsprechend im BAP begründet werden.

AIA gut – alles gut?

Die aufgeführten Inhalte beschreiben nur oberflächlich die derzeitige Situation auf dem Markt der deutschen BIM-Bauprojekte. Die Inhalte zu diesen Themen sind vielschichtig und können nur mit Erfahrung und breiten Anwenderwissen umfänglich bewertet werden. Bedeutet, dass die Erstellung des AIAs von Experten in die Hand genommen werden muss, die bereits Erfahrung in der Umsetzung von BIM-Projekten haben (lediglich ein Zertifikat ohne Anwenderwissen ist bei weitem nicht ausreichend) und zugleich wissen welche Anforderungen den Projekterfolg für alle Beteiligten ermöglichen.

Garbage in, garbage out – erste Indizien liefert AIA

Gilt denn nun AIA gut – alles gut? Mit der vorangegangenen Aussage wird diese Frage mit einem klaren “NEIN” beantwortet, jedoch ist ein guter AIA grundsätzlich ein Indiz für kompetente Personen, welche mit einem entsprechenden Planungsteam die gewünschten Ziele erreichen können und den Projekterfolg ermöglichen.

Dokumente zum Download

Podcast Bargespräche: Projektmanagement in der TGA


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